Hochsensible Jugendliche – was du wissen solltest!

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Was sind hochsensible Jugendliche?

Hochsensibilität ist ein angeborener Wesenszug und beschreibt im Wesentlichen eine erhöhte Wahrnehmung von Informationen (von innen und von außen) und eine damit verbundene komplexere Verarbeitung dieser Informationen.

Hochsensible Jugendliche kommen somit als hochsensible Babys zur Welt. Im Idealfall wurden Jugendliche schon in der frühen Kindheit als hochsensibel erkannt. Das bringt den Vorteil, dass sie sich ihrer Stärken und Schwächen bereits bewusster sind und durch Familie und pädagogische Begleitpersonen Strategien entwickelt konnten.

Dieser Blogartikel soll dazu beitragen, mehr Verständnis für das Verhalten hochsensibler Jugendlicher aufzubringen und weniger unrealistische Erwartungen an sie zu stellen.  Er soll gleichzeitig ein Plädoyer dafür sein, die Zeit mit einem hochsensiblen Kind bis zur Pubertät gut zu nutzen.

Die Pubertät: Eine ambivalente, herausfordernde Zeit.

Bei allen Jugendlichen, egal ob hochsensibel oder nicht, finden in dieser Phase massive Umbauten im Gehirn und Körper statt. Graue Substanz nimmt ab, weiße Substanz nimmt zu. Am Ende dieser längeren Phase ist das Ergebnis ein deutlich leistungsfähigeres Gehirn und effiziente neuronale Netzwerke. Doch während des Umbaus herrschen oft chaotische Zustände.

Warum? Weil nicht alle Gehirnregionen gleich schnell reifen. Das limbische System und damit auch die emotionalen Prozesse sind schneller ‚unterwegs‘, als der 'Vernunftsteil des Gehirns', der sogenannte präfrontale Cortex.

Wie Elaine Aron in ihrem Buch „Hochsensible Kinder“  beschreibt, wechseln hochsensible Teenager in dieser Phase noch mehr als üblich von einem Moment zum anderen zwischen der kindlichen und erwachsenen Seite und das oft in rasantem Tempo. Du kannst dich vielleicht noch an die Autonomiephase im Kleinkindalter erinnern (von vielen fälschlicherweise als Trotzphase bezeichnet)?

Genau wie damals steigt auch in dieser Phase das Frustrationsniveau stark an.

Die erhöhte Intensität, mit der hochsensible Jugendliche diese Zeit erleben, mündet oftmals in einer hohen Überreizung und Überforderung. Die emotionale Verletzlichkeit mancher Hochsensibler kann zu noch mehr Rückzug führen.

Körperlich ist diese Phase geprägt von Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ev. niedrigem Blutdruck, Glieder- und Gelenkschmerzen, Haltungsschäden und Rückenbeschwerden. Das zeigt sich bei vielen Jugendlichen im äußeren Verhalten durch Abgeschlafftheit, Unlust und dem typischen Herumhängen.

Betrachtet man die Jugend aus psychologischer Sicht, so zeigt sich ein Schlachtfeld der Gefühle. Für die meisten Teenager, egal ob hochsensibel oder nicht, ist es eine sehr ambivalente Zeit und gemeinhin stellt sie die größte Krise im Leben eines Menschen dar. Klingt dramatisch? Ist es teilweise ja auch.

Zu keiner Zeit, nur bei Geburt und in der Säuglingszeit, befindet sich der Mensch in einer derart umwälzenden – ja geradezu umwerfenden körperlichen Veränderung!

Paradoxerweise ist die Pubertät oftmals die Zeit höchster schulischer Anforderungen!

Hochsensible Jugendliche in der Pubertät unterstützen

Es wäre wünschenswert, wenn hochsensible Jugendliche in diesem Alter bereits über ihre Veranlagung Bescheid wüssten, und sie als jüngeres Kind bereits Strategien für herausfordernde Situationen entwickeln durften.

Doch sollte dies nicht passiert sein, was leider immer noch am häufigsten zutrifft, dann können die folgenden Fragen dabei helfen, hochsensible Jugendliche zu erkennen. Sie sollten unbedingt unter Berücksichtigung der gesamten Kindheit betrachtet und beantwortet werden:

  • Fühlst du dich unverstanden, am falschen Platz und einfach anders als andere? Dies kann sich zeigen, indem man Themen tiefer erarbeiten möchte als andere. Oberflächlichkeit in Diskussionen nicht ausstehen kann. Unterschiedlichste Themen miteinander vernetzt betrachtet und nicht isoliert. Small Talk hasst.
  • Nimmst du Geräusche oder Umgebungslärm intensiver wahr?
  • Ermüdest du durch flackerndes oder grelles Licht sehr schnell oder wirst dadurch schnell unkonzentriert?
  • Werden dir Menschenmassen schnell zur Belastung?
  • Gehen dir Geschichten und Schicksale anderer Menschen sehr nah und kannst du sie nicht einfach ausblenden?
  • Hüpfst du sehr schnell von Gedanke zu Gedanke und lassen dich diese ‚Gedankenwolken‘ abends oft nicht gut einschlafen?
  • Magst du eher die Stille und die Ruhe und bist du gerne mit dir allein? Oder mit einem guten Freund oder einer Freundin?
  • Hast du hast Schwierigkeiten, den passenden Freundeskreis zu finden?
  • Fühlt sich das System Schule für dich falsch an und bist du manchmal überfordert vom Leistungsdruck, obwohl du gute Noten haben könntest?
  • Machen dir Situationen wie Referate und Präsentationen halten, allgemein Gruppenarbeiten ein unangenehmes Gefühl?
  • Siehst du wenig Sinn in den typischen Pubertätsthemen wie Partys, Fortgehen, erste sexuelle Erfahrungen machen?

Verstehen statt Reden: der Umgang mit hochsensiblen Jugendlichen in der Pubertät

"Pubertät ist, wenn erziehen nicht mehr geht" Dieser Satz stammt von Jesper Juul und er meinte damit, dass wir die ersten ca. 10 Jahre mit unserem Kind gut nutzen sollten, denn sie sind die beste Vorbereitung auf diese doch oft holprige Zeit.

Die beste Unterstützung für hochsensible Jugendliche sind vertrauende, bestärkende und authentische Erwachsene, die sie in ihrem Alltag ernst nehmen. Ab dem Zeitpunkt der Pubertät zeigt sich, ob unsere Beziehung und Bindung zum Kind ausreichend gut ist oder nicht.

Die Beziehung zum Kind kann jederzeit gestärkt werden, doch je älter das Kind, desto mühsamer ist es für Eltern, denn die Pubertät läutet die Abkoppelung des Kindes von den Eltern ein. Die ersten 9 - 10 Jahre im Leben eines Kindes prägen es für die kommende Zeit.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kommunikation. Überprüfe, ob du viel mit sogenannten doppelten Botschaften kommunizierst und somit wenig authentisch bist. Dies hat großen Einfluss auf die Beziehung zum 'alles hinterfragenden' Teenager. Je authentischer die Kommunikation seitens Bezugsperson, desto weniger Reibungsfläche bietet sie für die Jugendlichen.

Hochsensible Jugendliche in der Pubertät unterstützen

Lass veraltete Rollenbilder los

Hochsensible Jungs haben auch heute noch mit einem veralteten Männerbild zu kämpfen, das weiterhin den draufgängerischen, starken Mann idealisiert. Viele unterdrücken daher die eigene hohe Emotionalität und Feinfühligkeit. Gerade wenn das Wissen um die eigene Hochsensibilität fehlt, neigen besonders männliche Jugendliche zur Verleugnung dieser Qualitäten, um gesellschaftlich nicht aufzufallen.

Auch hochsensible Mädchen übernehmen oft nicht hinterfragte Rollenbilder, die ihnen von ihren Müttern vorgelebt werden: eigene Bedürfnisse hintanstellen, immer für andere zuerst da sein, für alle sorgen zu  müssen. Mütter dürfen diese Zeit nutzen, um das eigene Rollenbild noch klarer für sich selbst zu sehen und unklare Erwartungen zu vermeiden.

Bring noch mehr Verständnis auf

Die hohe Intensität und Schnelligkeit der Reizwahrnehmung und Verarbeitung macht es hochsensiblen Jugendlichen in dieser Phase nicht gerade einfach. Sie sind durch den Umbau im Gehirn, der ja nicht unbedingt geradlinig verläuft, oftmals frustriert und emotional. 

Haben wir doch noch ein Quäntchen mehr Verständnis dafür, auch wenn wir der Meinung sind, dass die Zeit der hohen Emotionalität doch schon eigentlich vorbei sein sollte.

Erkenne die Unterschiedlichkeit der Bedürfnisse an

Hochsensible Jugendliche haben unterschiedliche Bedürfnisse. Die eher ruhigen, beobachtenden, tagträumenden Hochsensiblen haben in der Pubertät andere Prioritäten, wie die eher quirligen, wissbegierigen, geselligen Hochsensiblen.

Es hilfreich, genau zu wissen, welcher 'Hochsensibilitäts-Typ' dein Kind ist, um auch in der Pubertät bestärkend da zu sein.

Denn ja, es gibt sie, die sehr introvertierten, hochsensiblen Jugendlichen, an denen die Pubertät scheinbar ohne typische Katastrophen vorbeizieht.  Zumindest was das sichtbare Verhalten betrifft. Egal ob Mädchen oder Jungs, diese sind nicht großartig an Partys, Alkohol oder Drogenkonsum interessiert und grenzen sich auch sehr gut von diversen Gruppenzwängen ab.  Auf der anderen Seite ziehen sie sich sehr stark zurück und gehen in ihren eigenen Projekten voll auf.

Und dann gibt es die 'hochlaunischen' Jugendlichen, die jede Situation zum Drama nutzen und die sich den Launen der Hormone und damit einhergehenden überwältigenden Gefühle stark ausgesetzt fühlen.

Und natürlich gibt es die ganze Palette zwischendrin. Wir sollten, wie bisher auch, Vergleiche mit anderen Jugendlichen einfach bleiben lassen und mit großer Milde, viel Verständnis und Weitsicht auf unsere Jugendlichen zugehen.

Sei Vorbild für deinen hochsensiblen Jugendlichen

Lebe weiterhin vor, wie Erwachsene gut auf sich achten und wie du bestimmte Werte lebst, die du dir auch für dein Kind wünschst. In der Pubertät orientieren sich Teenager mehr an ihrer Peer-Group und dem Freundeskreis, und haben meist kein Ohr für unsere 'gut gemeinten Tipps'.

Viel wichtiger ist es, den wenigen Einfluss, den wir als Bezugsperson in dieser Zeit haben, positiv zu gestalten, auf Augenhöhe zu bleiben und unsere Werte sichtbar vorzuleben.

Vorleben statt Reden. 😉

Begleitest du Kinder im Kindergarten, im Schulsetting oder in einer anderen Art von Fremdbetreuung und möchtest du dein Verständnis über hochsensible Kinder und Jugendliche noch vertiefen?

Alle Infos zum Ablauf der Fach-Fortbildung, den Terminen und dem nächsten Start findest du hier.


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