Hochsensible Kinder verstehen und begleiten

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Hochsensible Kinder verstehen und begleiten

Hoffentlich werden sie unsere hochsensiblen Kinder verstehen und gut begleiten - das ist der Wunsch vieler Eltern an die Betreuungs- und Lehrpersonen ihrer Kinder, sobald diese die beschützte Welt des zu Hauses verlassen und in die Fremdbetreuung kommen.

Täglich höre ich Sätze wie folgende:

"Mein Kind ist per se kein Morgenkreis-Verweigerer ... er braucht einfach mehr Zeit, um sich vor vielen Kindern, die ihn anstarren, zu öffnen."

"Erster Schultag - totale Begeisterung! Nach dem dritten Schultag die volle Überforderung durch Lärm, Gewusel, ständiges Hin und Her. Nun nach dem 3. Monat fast völlige Schulverweigerung wegen Unterforderung und Zwang zum Lernen von Dingen, die er seit 3 Jahren schon kann... ich verzweifle!"

"Unser Kind findet Gleichaltrige doof, kann mit ihnen nicht viel anfangen - sie langweilt sich daher im Kindergarten, weil es keine älteren Kinder gibt und verweigert nun seit Wochen die Mitarbeit, klagen jedenfalls die Erzieherinnen. Ich kann es aber nachvollziehen - die Erzieherinnen nehmen sie nicht ernst und das spiegelt sie ihnen zurück ... Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum diese meinem Kind dann nicht Inhalte anbieten, nach denen sie verlangt? Wäre doch sehr einfach! Stattdessen sagen sie mir, mein Kind wird später in der Schule Probleme kriegen, wenn sie so weiter macht. Ich soll ihr das klarmachen!" 

Hochsensible Kinder werden tatsächlich mit ihren oftmals untypischen Bedürfnissen nicht erkannt.

Das klagen selbst Früherzieherinnen, Kindergartenpädagoginnen, Tagesmütter, Lehrerinnen, Schulsozialarbeiterinnen und Schulpsychologinnen an, die unsere Fortbildungen im Fachbereich Hochsensibilität besuchen.

Fakt ist: Hochsensibilität ist in den allerwenigsten Ausbildungen als Thema verankert.

Bedürfnisse hochsensibler Kinder werden chronisch nicht erkannt, daraus resultierendes Verhalten des Kindes falsch interpretiert.

An dieser Stelle werden meist schon die Weichen für die künftige Bildungslaufbahn gestellt: leidend oder potenzialentfaltend.

Eines darf dabei immer im Fokus bleiben: Hochsensibilität ist weder eine Krankheit, noch eine Störung. Die erhöhte Art, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, ist angeboren.

Und schon alleine das Wörtchen ‚angeboren‘ sollte viele von uns stutzig machen und zum Nachdenken anregen.

Wie jetzt? Angeboren. Hochsensibilität ist genauso angeboren, wie beispielsweise meine blauen Augen? Soll das heißen, dass man Hochsensibilität genauso wenig wegtrainieren kann, wie blaue Augen in grüne zu verwandeln?

Ja! Auch wenn der Vergleich ein wenig hinkt - genauso ist es. Das besagt auch der letzte Stand der Wissenschaft, wie auch die Forschungen dazu, und das seit mehr als 150 Jahren. Hochsensibilität wird vererbt. Es 'läuft' in der Familie.

Hochsensible Menschen werden mit 'dieser Art der Datenverarbeitung‘ geboren und sind sich vielfach nicht bewusst, dass sie damit zwar nicht der Mehrheit, doch aber einer großen Minderheit von ca. 20-30 % der Bevölkerung entsprechen (je nachdem, welche wissenschaftlichen Studien man heranzieht).

Hochsensible Kinder verstehen und im Kindergarten gut begleiten

Hochsensible Kinder und ihr Verhalten verstehen - wollen oder nicht wollen

Eine der ersten Aufgaben in unserem Online-Lehrgang ist es, geläufige Begriffe in Bezug auf Hochsensibilität zu sammeln. Sätze, die den Teilnehmerinnen in ihrem privaten und beruflichen Umfeld über Hochsensibilität begegnen.

Sie sammeln Aussagen, die sie entweder selbst zu hören bekommen, Meinungen, die über die betreuten Kinder geäußert werden oder die über ihr eigenes Kind gesagt wird.

Diese Aufgabe zeigt auf, welche positiven und negativen Begriffe in der Gesellschaft kursieren und welche Missverständnisse und Vorurteile über Hochsensibilität womöglich bestehen. 

Gleichzeitig zeigt die Sammlung dieser Begriffe und Aussagen oft sehr eindrücklich, wie häufig noch komplettes Unwissen über Hochsensibilität in den Köpfen vieler Menschen besteht.

Viele Teilnehmerinnen kommen automatisch mit positiven wie negativen Aussagen zurück. Und vielen von uns geht es so, wenn wir über das Thema Hochsensibilität und typische Merkmale sprechen - egal ob im beruflichen oder privaten Kontext – wir begegnen oft Vorurteilen.

Ich habe mich für diesen Beitrag hingesetzt und mal die vielen kritisierenden und abschätzigen Aussagen zusammengeschrieben, die sich vor allem junge hochsensible Kinder von ihren Bezugspersonen anhören müssen.

Nicht hilfreiche Aussagen, die hochsensiblen Kindern an den Kopf geworfen werden:

  • Du bist so (zu) zurückhaltend und still!
  • Sei nicht so schüchtern!
  • Stell dich doch nicht so an!
  • Immer müssen wir wegen dir …
  • Du bist so eine Spaßbremse!
  • Mein Gott, bist du ein Sensibelchen!
  • Na? Heute bist du wieder zart besaitet unterwegs?
  • Heute wieder ‚Super-Mimose‘?
  • Also echt jetzt - hier ist es doch gar nicht so laut, hier riecht es doch gar nicht schlimm … du stellst dich wieder an!
  • Was du da immer reininterpretierst! Er/Sie wollte dich doch gar nicht beleidigen.
  • Da musst du jetzt mal durch – wie sollst du es denn sonst lernen?
  • Damit musst du jetzt klarkommen - wie sollst du denn jemals in der echten Welt zurechtkommen?
  • Der soll sich nicht so anstellen!
  • Uns hat dies oder jenes früher auch nicht geschadet. Ihr seid da einfach zu empfindlich!
  • Das kann er/sie noch gar nicht fühlen/können/wissen!
  • Er muss nur öfter in Situation XY geschubst werden, dann wird er es schon irgendwann mögen!
  • Ach, das ist wieder so eine Modediagnose, um eine Erklärung zu haben, warum die Kinder Probleme haben.
  • Hochsensibilität, der neue Hype!
  • Ich mache sicher nicht wegen EINES Kindes eine Ausnahme! Da könnten dann ja alle kommen!
  • Die sollen sich mal nicht so haben, siehst du, für die anderen ist es doch auch kein Problem.
  • Mir gehen diese Helikoptereltern schon so am Nerv – die sollen ihre Kinder doch mal nicht so zu Mimosen erziehen!
  • Ach Gott, ich habe ihn doch gar nicht gemeint, muss der alles auf sich beziehen!
  • Die muss man einfach mal abhärten - ihnen etwas zumuten - nicht so verwöhnen!
  • Früher gab es das auch nicht, sind alle so verweichlicht heute.
  • Hochsensibel? Ich bin froh, dass ich das nicht habe.
  • Du nimmst alles viel zu persönlich!
  • Da musst du was machen, der tanzt dir auf der Nase rum!
  • Meine Güte, was für eine Dramaqueen!
  • Die Welt würde sich nicht mehr drehen, wenn alle so hypersensibel wären!
  • Immer diese Extrawürste!
  • Die glaubt wohl auch, sie ist der Boss!
  • Dein Kind muss abgeklärt werden, schaut ziemlich nach 'autistischen Zügen' aus.

Ich könnte diese Liste noch auf die Erwachsenenwelt ausweiten und beliebig fortsetzen. Aber ganz ehrlich - mir wird beim Aufzählen dieser Sätze schon ganz schlecht, daher belassen wir es lieber dabei.

Gerade im pädagogischen Bereich oder im Schulumfeld vermitteln diese Sätze dem Kind:

So wie du bist, bist du nicht gut (genug)!

Du musst dich ändern, damit du gut (genug) bist!

Du musst dich so verhalten, wie alle anderen, damit du hier reinpasst.

Mir ist egal, WARUM du dich so verhältst, wichtiger ist, dass du dich anders verhältst.


Ganz egal, ob diese Aussagen von Eltern, von ErzieherInnen, ElementarpädagogInnen, Lehrkräften, PsychologInnen, Sporttrainern … kommen - sie sagen viel über die agierenden Personen in diesem Umfeld aus. 👇

Hochsensitive Kinder verstehen und begleiten

Was braucht es, um hochsensible Kinder gut zu verstehen

Es braucht im Grunde nicht allzu viel, um für hochsensible Kinder in der jeweiligen Situation Abhilfe zu schaffen. Auch wenn die äußeren Umstände nicht förderlich sind, die Klasse überfüllt ist, kein Geld für größere Räumlichkeiten da ist, man als Eltern gestresst ist.

Es braucht im Wesentlichen drei Dinge:  Wissen - Wille - Haltung.


1 - Wissen: wenn das Wissen über Hochsensibilität fehlt

Wenn Erwachsene NICHT über typische und normale Verhaltensmerkmale von hochsensiblen Kindern Bescheid wissen, laufen sie oft Gefahr, diese Kinder falsch einzuschätzen. Da Hochsensibilität vererbt wird, sollten zumindest die Eltern spätestens ab Geburt über die eigene Hochsensibilität und die des Kindes Bescheid wissen.

Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Bedürfnisse hochsensibler Kinder nicht gesehen werden und das Verhalten falsch gedeutet wird.

In Folge kommt man oft zum falschen Schluss. Herkömmliche Maßnahmen gehen nach hinten los, verschlimmern die Situation und beide – Kind und Erwachsene fühlen sich hilflos. Das beeinflusst ganz stark die Bindung und Beziehung zum eigenen Kind.

Und das sollte uns auch in Fremdeinrichtungen beunruhigen, wenn wir wissen, dass 20 - 30 % der Kinder in Betreuungseinrichtungen hochsensibel sind. In reformpädagogischen Einrichtungen liegt diese Zahl erfahrungsgemäß noch höher, ungefähr bei 80-90 %.

Viele ErzieherInnen und PädagogInnen haben von Hochsensibilität noch nichts gehört, gehen aber grundsätzlich mit einer wertschätzenden Haltung auf Kinder zu. Das ist schon mal eine der besten Grundlagen. Das zusätzliche Wissen über Hochsensibilität würde in diesen Fällen einfach noch den Blick auf die Individualität schärfen und auch beim Finden kreativer und unkonventioneller Lösungen unterstützend wirken.


2 - Wille: wenn der Wille fehlt, auf die Bedürfnisse hochsensibler Kinder einzugehen

Ist das Wissen über Hochsensibilität nicht gegeben, kann man immer noch darauf hoffen, dass die Bezugsperson einen echten Willen hat, alle Kinder, die sie betreut (oder unterrichtet) wirklich sehen und verstehen will. 

Das Wissen über Hochsensibilität erweitert ja in dem Sinne nur das Verständnis darüber, wie unterschiedlich Menschen gestrickt sind und wie unterschiedlich ausgeprägt damit auch die Bedürfnisse eines jeden Menschen sind.

Eine Aussage, die mich traurig und wütend zugleich macht, ist die folgende (und diese Aussage ist wahrlich nicht erfunden und wird in jedem Lehrgang von vielen genauso wiedergegeben):

„Ich bemerke in meiner Schule als Schulsozialarbeiterin, dass sobald das Kind dann endlich mit einer Diagnose daher kommt, dass die Lehrkraft plötzlich bereit ist, auf das Kind einzugehen. Ich hätte bei diesem Kind absolut keine Störung gesehen, sondern einfach nur ein Kind, das mehr hinterfragt und mehr wahrnimmt, oder grundsätzlich mehr Selbstbestimmtheit fordert, aber für die Lehrkraft war dieses Kind, ein Kind, dass sofort ‚abgeklärt gehört‘. Das Kind hat sich aber nicht verändert, sondern ist dasselbe Kind wie vorher!“

Es gibt logischerweise viele Faktoren, warum Erwachsene nicht immer auf die Bedürfnisse aller Kinder eingehen können: Betreuungsschlüssel, Klassengröße, Raumgröße, eingefahrene Routinen, Glaubenssätze …

Doch der wesentlichste Grund, warum einfache Änderungen nicht umgesetzt werden, ist der WILLE. Es hapert vielfach nur am Willen der Person, die die Klasse führt, die Gruppe betreut oder das Kind erzieht, dieses Kind verstehen zu wollen.

Die brennendste Frage ist daher: Ist die verantwortliche erwachsene Person grundsätzlich guten Willens und gelingt eine gute Begleitung nur aufgrund bestimmter äußerer Faktoren nicht?

Wie man das erkennen kann?

Es ist relativ einfach an den Sätzen, an den Worten, die benutzt werden und am Verhalten der Lehrkraft, der Betreuerin, der Direktion, der Eltern – wer auch immer in der Situation gerade die Verantwortung für Kinder hat - abzulesen, ob der Wille da ist oder nicht.

Denn, wie heißt es so schön: wo ein Wille, da ein Weg!


3 - Haltung: was die innere Haltung ausmacht

Man merkt in einer Betreuungseinrichtung, in einer Kindergruppe, in einer Schulklasse sehr eindrücklich, wie die Haltung der verantwortlichen Personen ist.

Man spürt man eine wohlwollende oder eine abschätzende Atmosphäre. Eine Umgebung auf Augenhöhe, die mit den Kindern auf eine bestärkende und unterstützende Art arbeitet. Oder ein Umfeld, in dem strafend und ausgrenzend gearbeitet wird.

Für ALLE Kinder ist es wünschenswert, dass sie mit ihren Bedürfnissen erkannt werden. Maria Montessoris "Hilf mir, es selbst zu tun!" darf vor allem in Bezug auf die Bedürfnis-Erkennung in allen Einrichtungen in den Mittelpunkt rücken.

Konkrete Arbeitsblätter zum Ausdrucken und Arbeiten mit Kindern für den Kindergarten und die Schule findest du auch im Onlinekurs Sensorische Herausforderungen jeglicher Art gut meistern.


Es braucht also nicht viel, um hochsensible Kinder zu verstehen und gut zu begleiten:

  • Das Wissen über Hochsensibilität in all seinen Ausprägungen hilft uns, mit noch mehr Verständnis und Geduld auf das Kind einzugehen. Wir finden dadurch kreative Lösungen, die dem Kind und der Gemeinschaft helfen.
  • Der Wille ist wichtig. Der Wille, hinter das Verhalten zu blicken. Das Verhalten als Kommunikationsbotschaft zu sehen. Was braucht das Kind, kann es aber gerade mit Worten und seinem Benehmen nicht optimal ausdrücken.
  • Die innere Haltung, anderen Menschen grundsätzlich mit Wertschätzung und Respekt zu begegnen, egal ob sie nun 2 Jahre alt oder erwachsen sind.



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